Elternbrief v0m 03.06.21 7.- 9. Jahrgang
Elternbrief vom 23.02.2021
Eine Patenschaft geht erfolgreich zu Ende
„Ich hatte nie gedacht, dass ich meine Abschlussprüfung schaffen werde und einen Ausbildungsplatz finde“, sagt Fatemeh Soltani. Doch dann erhielt die Schülerin der Schule am Ernst-Reuter-Platz (ERNST!) unerwartet Hilfe: Über das Projekt Ausbildungspaten lernte sie die Fischereiwissenschaftlerin Sandra Rybicki kennen. Das Projekt Ausbildungspaten entstand in Zusammenarbeit der Schule ERNST! und unserem Netzwerk Schule, Wirtschaft und Wissenschaft. Arbeitserfahrene Menschen begleiten die Schüler und Schülerinnen in den letzten Jahren der Schulzeit, entwickeln
gemeinsam mit ihnen eine berufliche Zukunft und unterstützen sie bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Im Sommer 2019 erfuhr Sandra Rybicki über einen Kollegen beim Thünen-Institut von unserem Projekt und meldete sich. Für Fatemeh Soltani ein echter Glücksfall.

Lernen, üben und reden
Zu dem Zeitpunkt machte Fatemeh Soltani oft nicht mal die Hausaufgaben, weil sie sie nicht verstand. Ihre Deutschkenntnisse waren nicht gut genug. Die beiden trafen sich einmal die Woche. „Ich bin aufmerksam geworden und habe versucht, mich zu verbessern“, erzählt Fatemeh Soltani. „Die Motivation war da“, bestätigt Sandra Rybicki und bedauert nur, dass sie nicht früher angefangen haben. (Deshalb beginnt die Zusammenarbeit für
gewöhnlich ab der 8. Klasse.) Gemeinsam lernten sie den Schulstoff und das
Pünktlichsein, schrieben Bewerbungen, übten Präsentationen und Vorstellungsgespräche oder redeten einfach über das, was Fatemeh Soltani belastete. Ihre Deutschkenntnisse wurde besser, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit nahmen so sehr zu, dass sie nun selbst bemerkt, wenn andere in dem Bereich Schwierigkeiten haben.
All die gemeinsamen Bemühungen führten zum Erfolg! Fatemeh Soltani bestand nicht nur ihre Abschlussprüfung, sondern ist seit Sommer in Ausbildung zur Zahnarzthelferin. Große Schritte für jemanden, der ein Jahr zuvor noch keine berufliche Zukunft gesehen hat.
Ausbildungspatenschaften
zur Coronazeit
Gut zehn Patenschaften werden auch während der coronabedingten
Kontaktbeschränkung weitergeführt, auch wenn die Besuche der Paten und Patinnen im Unterricht derzeit wegfallen. WhatsApp, Skype und das Telefon ermöglichen regelmäßige Kontakte und werden fleißig genutzt, um gemeinsam weiter an der Zukunft der Schüler und Schülerinnen zu arbeiten. „Die bestehenden Bindungen sind entsprechend stabil“, berichtet Marion Oehmsen, die das Projekt Ausbildungspaten für unser Netzwerk betreut.
Und im Jahr 2021 können wieder neue Bindungen und Patenschaften
aufgebaut werden.
Zukunftswege
„Was ich jetzt geschafft habe, ist wegen Sandra und ich bin unfassbar dankbar“, sagt Fatemeh Soltani und Sandra Rybicki antwortet: „Im Endeffekt hast du dich da selbst durchgekämpft, ich habe nur Hilfestellung gegeben.“ Gemeinsam haben die beiden Großes geleistet und eine berufliche Zukunft möglich gemacht!
Jetzt zieht Sandra Rybicki nach Island, denn ihre Doktorarbeit zur Erforschung der Zukunft der Fischer ist abgeschlossen und nun möchte sie in Island den Bachelor in maritimen Wissenschaften machen. Und Fatemeh Soltani wird Zahnarzthelferin.
Unser Netzwerk wünscht beiden viel Erfolg für ihren Lebensweg!
Ausbildungspaten gesucht!
Eins ist Fatemeh Soltani noch wichtig: „Es ist schade, dass es nicht mehr Leute gibt, die freiwillig den Schülern und Schülerinnen helfen.“ Denn wie bei ihr kann man damit einem jungen Menschen den Start in das Berufsleben ermöglichen.
„Lehrerin muss man dafür nicht sein“, erklärt Sandra Rybicki. „Man muss zuhören können und offen sein. Es geht darum, gemeinsam Lösungswege zu erarbeiten. Man darf es nicht so ernst nehmen, wenn dann doch mal eine 6 kommt. Manchmal muss man die Motivation erst hervorholen, denn man darf nicht vergessen, dass diese Jugendlichen oft schon einen Riesenrucksack voller Probleme mit sich herumtragen. Da stand die Schule verständlicher Weise nicht immer im Leben an erster Stelle. “ Umso wichtiger, ihnen jetzt beiseite zu stehen und ihnen so ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, in dem sie selbst dafür Sorge tragen können, dass es ihnen gut geht.
Wenn Sie Interesse an einer Ausbildungspatenschaft haben, können Sie sich bei
Schulleiterin Nicole Wind melden: 0471 / 30 94 93-0 oder
nicole.wind@magistrat.bremerhaven.de
Text Janina Berger, Fotos von privat
Bei Anruf Ausbildung!!!!

Lernen in Zeiten von Corona
Seit dem 15. April 2020 hat die Schule wieder begonnen. Bisher findet der Unterricht für Ihre Kinder ausschließlich zuhause statt. Ab dem 27.04. wird der Unterricht in der ERNST! schrittweise wieder stattfinden.
Schrittweise bedeutet, dass vorerst nur die Klassen des 10. Jahrgangs in der Schule unterrichtet werden. Der Unterricht findet in kleinen Gruppen statt und wird zu Beginn nur wenige Stunden die Woche in den prüfungsrelevanten Fächern (Deutsch, Englisch, Mathematik, mündliches Prüfungsfach) jeweils von 8:00 Uhr bis 12:50 Uhr umfassen.
Damit wird sichergestellt, dass die ERNST! alle erforderlichen Hygienemaßnahmen umsetzen kann. Insbesondere das Einhalten des Mindestabstands (mindestens 1,50 m besser 2 m) kann somit sichergestellt werden.
Die Schule wird Ihre Kinder regelmäßig an das Einhalten der Hygienemaßnahmen erinnern und – sofern es erforderlich ist – mit Ihren Kindern einüben. Bitte unterstützen Sie dieses Anliegen und sprechen Sie ebenfalls mit ihnen darüber!
Wird Ihr Kind noch nicht an der Schule unterrichtet, so findet der Unterricht nach wie vor vorerst Zuhause statt. Beim Lernen in der Schule und beim Lernen zuhause gilt gleichermaßen die Schulpflicht für Ihr Kind! Wird Ihr Kind zuhause unterrichtet, so wird die Schule mit Ihrem Kind und gegebenenfalls auch mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Ihr Kind wird von seinen Lehrerinnen und Lehrern mit Unterrichtsmaterial und mit Aufgaben versorgt. Halten Sie Ihr Kind dazu an, die Aufgaben zu bearbeiten.
Bei Fragen können Sie gerne die Ihnen bekannten Kommunikationsmöglichkeiten nutzen um mit den Lehrerinnen und Lehrern in Kontakt zu treten. Nutzen Sie gerne dieses Angebot!
Sie können Ihr Kind bei der Schule vom Schulbesuch befreien lassen, wenn es zu einer Risikogruppe gehört. Dies gilt auch, wenn eine andere Person, die in Ihrem gemeinsamen Haushalt lebt, zu einer Risikogruppe gehört. Wenn Sie in dieser Frage unsicher sind, wenden Sie sich bitte an Ihren Hausarzt/Ihre Hausärztin.
Ihr Kind wird dann weiterhin zuhause lernen und Unterrichtsmaterial und Aufgaben von der Schule erhalten.
Ihre Kinder haben den Lehrerinnen und Lehrern an Ihrer Schule sehr gefehlt. Alle freuen sich, dass Ihre Kinder nun langsam aber schrittweise wieder an die ERNST! zurückkehren können. Bitte seien Sie geduldig, wenn Ihr Kind vorerst noch nicht wieder an die Schule kann. Und bitte unterstützen Sie uns bei der Einhaltung der Hygienemaßnahmen, indem Sie mit Ihren Kindern darüber sprechen.
Alle weiteren Informationen über den Schulbesuch, Unterrichtszeiten oder den Fernunterricht erhalten Sie direkt von Ihrer Schule.
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Wind (Schulleiterin)
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10 Jahre Netzwerk – die Feier!
Am 13. November 2019 feierte das Netzwerk Schule, Wirtschaft und Wissenschaft seinen 10. Geburtstag im Atlantic Hotel Sail City: Erinnerungen, Erfolge, Musik, Podiumsdiskussionen und ein Impulsreferat bestimmten den Abend, durch den Arnd Höljes, stellvertretender Schulleiter der Kaufmännischen Lehranstalten, moderierte. In einem Punkt waren sich alle Redner einig: Gäbe es das Netzwerk nicht, müsste man es erfinden!

Begrüßung „Ich danke allen Mitgliedern für Ihre Treue und die Zusammenarbeit“, begrüßt Vorsitzender Claus Brüggemann die rund 135 Gäste, denn ohne Mitglieder könnte das Netzwerk nicht erfolgreich handeln. Neben zahlreichen Einzelnennungen und der Unterstützung durch die Stadt Bremerhaven und der umliegenenden Gemeinden stellte er dabei besonders Geschäftsführer Horst Lüdtke als umtriebigen Motor heraus, der vom ersten Tag an mit Herz und Sachverstand dabei ist, sowie Renate Isenberg als Seele des Netzwerks, ohne die die Geschäftsstelle gar nicht funktionieren könnte. Brüggemann dankt für die viele Rückenwindunterstützung und hebt die Win-Win-Situation für Betriebe und Schüler hervor. „Bremerhaven hat mehr zu bieten als frische Luft“, betont er und nennt Forschungsinstitute, hervorragende Schulen, Betriebe, Kultur und Sport als gute Gründe, sich für unsere Region zu entscheiden. „Wir können dazu beitragen, dass die jungen Menschen hier bleiben und unsere Region so gemeinsam stärken“, schließt Brüggemann, denn es gebe Bedarf an jungen, fähigen und ausgebildeten Menschen. Ehrengäste Kristina Vogt, Bremer Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa, betont in ihrem Grußwort: „Das Netzwerk liefert einen Beitrag, der nicht zu unterschätzen ist.“ Durch die Änderungen in der Gesellschaft und der Arbeitswelt stelle sich die Frage, wie die Fachkräftegewinnung, Fachkräftesicherung und Qualifikation für die Zukunft sichergestellt werden können und unser Netzwerk leiste viel, um Antworten auf diese Fragen geben zu können. Insbesondere hebt sie hervor, dass das Netzwerk an der Schule ansetzt und nicht an den Grenzen Bremerhavens endet, sondern die gesamte Region einbezieht. Sie sei jetzt zuversichtlicher, dass mehr junge Menschen und Betriebe zueinander finden werden. Besonders begeistert sie sich für die Ausbildungspaten. „Bremerhaven hat eine tolle Hochschule, Potenzial und regionale Bedeutung. Das Netzwerk trägt dazu bei, Werbung für Bremerhaven machen zu können – feiern Sie sich zu recht!“, schließt sie. Stadträtin Brigitte Lückert dankt als ehemalige Lehrerin auch den Schülern dafür, dass sie sich auf die Projekte des Netzwerks einlassen und mitmachen, denn sie müssen sich damit neuen Herausforderungen stellen und lernen aber auch, sich etwas zuzutrauen. Das Netzwerk sieht Lückert als ein beschützendes, auffangendes und umschließendes Netz, in dem sich die Schüler befinden, die es für ein Leben nach der Schule zu befähigen gilt. Das gelinge, indem man ihnen Erfahrungen ermögliche und neue Blickwinkel auf die Welt. Auch das Kennenlernen anderer Menschen und vor allem von sich selbst gehöre dazu. „Nicht nur Akademiker können die Stadt nach vorne bringen, sondern alle gemeinsam können wir die Stadt und die Region gestalten“, betont Lückert.

„Das Netzwerk ist seiner Zeit voraus“ „Ein verfehlter Beruf verfolgt uns durch das ganze Leben.“ Mit diesem Zitat von Balzac eröffnete Grant Hendrik Tonne, der niedersächsische Kultusminister, seine Referat über die Bedeutung unseres Netzwerks. „Wie kriegen wir Schüler und Schülerinnen so fit, dass sie aus der Schule rausgehen und wissen, was sie beruflich werden wollen?“, fragt er und stellt fest, dass unser Netzwerk mit all seinen Projekten seiner Zeit voraus ist und Niedersachsen sich nun ein Beispiel daran nehmen kann. Die vielen beruflichen Möglichkeiten und die schnelle technische Entwicklung erschweren die Berufswahl. Studium und Ausbildung seien gleichwertige Möglichkeiten, betont er, doch wer solle bei der Auswahl noch durchblicken? Es sei wichtig, auf die Interessen, Neigungen und Stärken zu achten – und da kommt das Netzwerk ins Spiel: Über Praktika und Gesprächen mit Auszubildenden über Personalleiter bis zu Geschäftsführern können die Schüler und Schülerinnen sich die Berufsfelder anschauen. „Junge Leute im eigenen Betrieb sind die besten Botschafter“, so Tonne. „Schule kann und soll nicht alles alleine leisten“, stellt er klar. „Alle sind gefragt!“ Unsere Region könne sich glücklich schätzen, dass sie durch das Netzwerk zehn Jahre Vorsprung habe, denn es wurden bereits Erfahrungen gemacht und die Kontakte sind vorhanden, während man diese Strukturen und Vernetzungen in Niedersachsen noch aufbauen müsse. Über die Landesgrenze hinaus gilt ein gemeinsamer Anspruch, die Jugendlichen zu einem Beruf zu führen, den sie mögen und der sie ausfüllt. „Das kommt den Betrieben, der Region, der Wirtschaft und Wissenschaft und vor allem den Schülern zugute“, schließt Tonne. Impulsreferat Digitalisierung und Ethik Nach einem entspannenden Klavierspiel von zwei Schülern des Gymnasiums Wesermünde hält Björn Stecher, Inhaber der Firma Digitales Denken in Brandenburg, ein Impulsreferat über das Spannungsverhältnis zwischen Digitalisierung und Ethik. „Die analoge Eisscholle wird immer kleiner. Die Zukunft kommt nicht morgen, sie ist schon da“, so Stecher. Während 32 Prozent der Deutschen sagen, sie seien damit überfordert, geben 14 Prozent an, sie würden gar nicht mehr zwischen online und offline unterscheiden. Auf der einen Seite der Künstlichen Intelligenz steht die Angst vor dem Kontrollverlust, auf der anderen der gesellschaftliche Mehrwert, wie er zum Beispiel bei Sprachassistenten als medizinische Hilfe entstehe. Da die Angst verunsichere, sei es wichtig, speziell Kindern die Mittel mitzugeben, die Unsicherheit zu verringern. „Um die Komplexität zu reduzieren, kann man entweder das Vertrauen in einen anderen Menschen haben, dass dieser die entsprechenden Fähigkeiten hat und ihn das machen lassen, oder aber die Kompetenz erlernen, etwas selbst tun zu können“, erklärt Stecher. Auch Kreativität habe an Bedeutung zugenommen und solle stärker gefördert werden, um sich besser auf die sich wechselnde Umwelt einstellen zu können. Die Entstehung des Netzwerks Nachdem die Schüler des Gymnasiums Wesermünde für ihre Musical-Darstellung mehrerer Lieder von Abba viel Applaus erhalten hatten, erzählte der Schiffdorfer Bürgermeister Klaus Wirth in der ersten Podiumsrunde von den Anfängen des Netzwerks: „Durch den demographischen Wandel hat sich die Bevölkerung in Schiffdorf reduziert und als Bürgermeister gehörte es zu meinen Aufgaben, einen Weg zu finden, damit die wenigen Verbliebenen hier bleiben.“ Ursprünglich habe man ein Jugendkompetenzzentrum errichten wollen, doch aus finanziellen Gründen hätte man das Projekt nicht umsetzen können. Meinhard Buchwitz, Schulleiter der Max-Eyth-Schule, fügt an: „Das Jugendkompetenzzentrum war eine mutige, aber auch blauäugige Vision.“ Da man sich nun aber formiert hatte, wollte man dennoch gemeinsam handeln und überlegte, etwas Neues auf die Beine zu stellen. Wirth ergänzt: „Unsere Idee hat die Vorarbeit nicht im Frust untergehen lassen, sondern es ging weiter“. Das Netzwerk Schule, Wirtschaft und Wissenschaft entstand. Ein wesentliches Element war die Hartnäckigkeit von Horst Lüdtke und Prof. Dr. Wilfried Arlt, einem meiner Vorgänger“, erinnert sich Peter Ritzenhoff, Rektor der Hochschule Bremerhaven, die das Potenzial des Netzwerks gleich erkannte. Die Motivation Lüdtkes entsprang seiner Empörung über einen Artikel in der Nordsee-Zeitung mit der Aussage: „Abiturienten, ihr müsst weg von hier, hier habt ihr keine Chance!“ Denn mit dieser Einstellung hätte die Region erst recht keine Chance mehr; es brauchte also neue Anreize, die jungen Menschen hier zu halten. Die Wiege des Netzwerks war also in Schiffdorf, bei der Vereinsgründung zählte man 29 Mitglieder. „Wir haben viele Klinken geputzt“, erinnert sich Wirth. Bei Behörden, im Landkreis, die Kammern, sogar in Hannover sei er gewesen. „Das gemeinsame Interesse schafft eine persönliche Ebene, die kurze Dienstwege möglich macht“, so Buchwitz. Man könne Sachen ansprechen, die vorher nicht möglich waren. Auf die Frage des Moderators Höljes, wie früh Lüdtke bewusst war, dass das Netzwerk etwas Großes wird, antwortet Lüdtke: „Das wusste ich sehr früh. Zu uns sind Leute gekommen, die etwas gestalten wollten. Siegertypen! Es ist wie eine Welle, die größer wird.“

Entwicklung und Erfolge des Netzwerks Zehn Jahre später zählt das Netzwerk 120 Mitglieder und hat 5000 Schüler erreicht. „So lange man neugierig ist und an sich arbeitet, erreicht man immer auch wieder neue Ufer“, erklärt Lüdtke den Erfolg des Netzwerks, das mittlerweile mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet wurde. Neben neuen Projekten wie den Bildungsbuddies steht auch immer noch ein Ziel auf der Liste, welches Lüdtke von Beginn an am Herzen liegt: Wirtschaft als Pflichtschulfach. Durch diese zweite Podiumsrunde führte Matthias Meyer-Schwarzenberger, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Volks- und Betriebswirte (bdvb), der dieses Anliegen unterstützt: „Wirtschaft darf kein Expertenwissen sein“, verdeutlicht er seinen Standpunkt. Es dürfe nicht sein, dass die Schüler die Schule ohne Grundkenntnisse in dem Bereich verlassen, denn damit fehlten auch Grundlagen zum Verständnis von Demokratie und Politik. Thomas Kühn vom Bildungswerk der niedersächsischen Wirtschaft, der das oft vom Netzwerk genutzte Unternehmerspiel MIG für die Jugendlichen anbietet, geht damit laut Meyer-Schwarzenberger in eine Vorbildfunktion. Das Unternehmerspiel vermittelt nicht nur wirtschaftliche Grundkenntnisse, sondern es verknüpft auch Schulen und Betrieben in der Region. Dabei habe Kühn das Netzwerk stark geholfen, denn es habe die erforderlichen Kontakte geknüpft und auch Förderer vermittelt. Stellvertretend für die Erfolge an den Schulen berichtet Nicole Wind, Schulleiterin der Schule am Ernst-Reuter-Platz: „Als Schule sind wir nur erfolgreich, wenn wir die Schüler in eine Ausbildung oder an eine weiterführende Schule bringen“, sagt sie, doch als sie angefangen haben, betrug diese Zahl genau Null. Mittlerweile hat man gemeinsam mit dem Netzwerk daran gedreht: Im letzten Jahr waren es bereits 20 Schüler, bei denen es gelang. In der dritten Podiumsrunde kamen Schüler und ehemalige Schülerinnen zu Wort, die über ihre Erfahrungen mit Projekten des Netzwerks berichteten und wie diese zu ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung beigetragen haben. Einhelliger Tenor: „Dass ich mal so viel Mut haben würde, hier heute vor Ihnen zu stehen, hätte ich nicht gedacht.“ Für Wind liegt der Erfolg der Projekte des Netzwerks auf der Hand: „Schüler müssen etwas tun und anpacken, statt nur in der Schule zu sitzen.“ Mit den Projekten holt das Netzwerk die Schüler ab und unterstützt sie. Abschluss einer gelungenen Feier Mit der Musikeinlage ‚Everybody needs somebody‘ brachten die Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums Wesermünde die Grundlage des Netzwerks auf den Punkt. Bevor Lüdtke den offiziellen Teil der Veranstaltung beendete und man bei Snacks neue Kontakte knüpfte oder bestehende auffrischte, äußerte er noch einen Wunsch: „Wenn Sie einen Impuls haben, dann legen Sie gleich los. Schreiben Sie es auf, telefonieren Sie! Denn wenn sie es in drei Tagen nicht angepackt haben, werden Sie es wahrscheinlich nie tun.“

„Was brauchen die Kids?“ Lernen im Ankunftsstadtteil

Die Frage, was Kinder und Jugendliche aus einem benachteiligten Stadtteil mit großer Kinderarmut brauchen und was Schule dazu beitragen kann, die Bedürfnisse zu befriedigen, beschäftigt die Mitarbeiter*innen der Schule am Ernst-Reuther-Platz (ERNST) in Bremerhaven-Lehe. Dabei geht es um mehr als Unterricht – da ist sich das Schulleitungsteam einig. Wir konnten bei einem dreitägigen Besuch unserer Partnerschule im Projekt TraMiS erleben, wie diese Haltung in schulischem Handeln Ausdruck findet.
NUR MIT VOLLEM BAUCH LERNT ES SICH GUT
Es ist 7:40 am Mittwochmorgen in der Mensa der ERNST. In 20 Minuten beginnt die erste Stunde. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre. An einem Gruppentisch sitzt ein gutes Dutzend Schüler*innen verschiedenen Alters und frühstückt. Es gibt Kakao, Tee, Müsli und Wraps. Normalerweise kommen deutlich mehr Schüler*innen zum Frühstück, berichtet uns eine Mitarbeiterin der Mensa, da aber derzeit viele fasten, sei die Teilnahme geringer. Seit Gründung der ERNST 2008 gibt es das Angebot des kostenlosen Frühstücks für alle Schüler*innen, denn „nur mit vollem Bauch lernt es sich gut“, wie die Schulleiterin betont. Viele Schüler*innen würden zuhause nicht frühstücken und kämen hungrig in die Schule. Deswegen wurde das Frühstücksangebot mit Hilfe von Spenden ins Leben gerufen. Alle Schüler*innen nehmen auch am Mittagessen der Ganztagsschule teil. Ein Großteil der Schüler*innen wohnt in direkter Nachbarschaft zur ERNST im Goethequartier. Es zählt bundesweit zu den Stadtteilen mit den höchsten Kinderarmutsraten. Die Stadt Bremerhaven weist in einer Sozialraumanalyse für Lehe in 2016 einen Anteil der unter 15-Jährigen, die Sozialleistungen nach SGB II beziehen, von 48% aus. Nachdem die Einwohner*innenzahl lange Zeit sank, wächst sie seit 2012 wieder, vor allem aufgrund von Zuzügen aus dem Ausland. Zwischen 2012 und 2015 stieg der Anteil von Kindern mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Vorschulalter von ca. 17% auf knapp 53% an. In Anlehnung an den Begriff „Arrival Cities“, der vom britisch-kanadischen Journalisten Doug Saunders bekannt gemacht wurde, kann das Quartier als Ankunftsstadtteil bezeichnet werden – als ein Stadtteil mit einfachen Wohnungen, niedrigen Mieten, hoher Fluktuation und stark migrantisch geprägten Netzwerken, die es Neuzugewanderten erleichtern, Anschluss zu finden. In Ankunftsstadtteilen leben Menschen mit wenig Geld aus dem In- und Ausland zusammen, z.B. Langzeitarbeitslose und Künstler*innen, Geflüchtete und Arbeitsmigrant*innen.
VIELFÄLTIGE MOBILITÄTSERFAHRUNGEN IM ANKUNFTSSTADTTEIL
In solchen Stadtteilen können Schüler*innen oft nicht vom allgemeinen Trend zu höheren Bil-dungsabschlüssen profitieren, weil „sozioökonomische und migrationsbezogene Problemlagen zusammenfallen“ (S.18), so der aktuelle Bildungsbericht für Deutschland. Das kann zu sehr unterschiedlichen Mobilitätserfahrungen führen, wie wir bei unserem Besuch erfahren haben. Einige Schüler*innen sind nur selten aus dem Stadtteil herausgekommen, so dass ein Praktikum in Cuxhaven oder eine Fahrt nach Bremen schon eine Horizonterweiterung darstellt. Andere sind schon mehrmals zwischen Bremerhaven und dem Herkunftsort in einem anderen EU-Land umgezogen, und zwar nicht im Rhythmus der Schuljahre, sondern nach den Arbeitsmöglichkeiten der Eltern, so dass sie immer wieder neu ankommen müssen. Das Lernen in der Schule ist dadurch schwierig. Auch wenn sich viele Eltern für ihre Kinder das Abitur wünschen, ist das für die meisten nicht realistisch, wie uns Lehrkräfte berichteten. Auch wenn Schulen die ungleichen Bildungsvoraussetzungen nicht zu verantworten haben, sind sie doch diejenigen, die damit umgehen müssen. Die Schulleitung der ERNST übernimmt die Verantwortung dafür, das Beste aus der Situation zu machen und sieht an vielen Stellen Handlungsmöglichkeiten: „Daher haben wir uns selbst auf den Weg gemacht.“
PRAXISPROJEKTE ALS ERGÄNZUNG ZUM UNTERRICHT
Sie legt pragmatisch den Fokus darauf, dass ein Ausbildungsplatz vermittelt wird, idealerweise mit einem Schulabschluss, zur Not aber auch ohne. Inspiriert durch reformpädagogische Ansätze, setzt sie dabei zunehmend auf Praxisprojekte, die bereits am Vormittag Entlastung vom regulären Unterricht bieten sollen. In einem Projekt auf einem Bauernhof haben Schüler*innen beispielsweise gelernt, einen Trecker auseinanderzunehmen. Wenn sie daran Spaß gefunden und sich geschickt angestellt haben, entwickeln sie womöglich die Perspektive eine Ausbildung in einer KFZ-Werkstatt zu machen. Außerdem gibt es verschiedene Schülerfirmen, in denen Jugendliche etwa Marmelade und Honig herstellen und die Produkte auf dem Wochenmarkt neben der Schule verkaufen. Sie erlernen dabei strukturiertes und kontinuierliches Arbeiten, Kompetenzen die so oftmals weder im Unterricht, noch zuhause vermittelt werden können. Für viele Arbeitgeber sind diese Aspekte aber wichtiger als gute Noten, wie die Schulleiterin berichtet. Solche und andere Projektkurse können die Schüler*innen der ERNST aus einem breiten Angebot im Rahmen der sogenannten Schülerakademie (SAK) belegen. Die Teilnahme an den Kursen wird nicht benotet, aber durch Zertifikate und einen Vermerk im Schulzeugnis anerkannt. Die jahrgangsübergreifenden SAK-Kurse und der Regelunterricht wechseln sich über den Tag hinweg ab. Dadurch wird versucht, das Lernen ganzheitlich anzulegen. Die Berufsorientierung beginnt bereits in der 5. Klasse nach einem Konzept, das vom Landesinstitut für Schule Bremen als herausragend ausgezeichnet wurde. Der praktische Ansatz kommt, laut Schulleitung, der wachsenden Zahl von Schüler*innen mit einer nichtdeutschen Familiensprache in besonderem Maße zugute. Anders als im Unterricht, wo Deutsch oftmals die notwendige Grundlage ist, hätten Deutschlerner*innen bei den weniger sprachintensiven praktischen Lernangeboten der SAK geringere Nachteile und könnten sich besser profilieren. Für diese Gruppe hat eine Fokussierung auf die Ausbildung oft noch einen weiteren Effekt: Durch Ausbildungsplatz und spätere feste Arbeit können Jugendliche ohne sicheren Aufenthaltsstatus ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten. Es wird deutlich, dass die Schule sich unter den Bedingungen einer restriktiven Migrationspolitik auch damit auseinandersetzen muss, dass Schüler*innen oft auch nach jahrelangem Aufenthalt noch nicht wissen, ob sie in Deutschland bleiben dürfen. Der Film „Möglichst freiwillig“ dokumentiert beispielhaft diese Auseinandersetzung am Fall eines Schülers der ERNST, der mit seiner Familie Bremerhaven und Deutschland verlassen musste. Er zeigt eindrücklich wie sein Leben danach weiterging und wie seine Klasse auf die plötzliche Abwesenheit des Mitschülers reagierte.
SCHULENTWICKLUNG UND VERNETZUNG
„Was brauchen die Kids?“ – immer wieder diese Frage zu stellen, kennzeichnet die Grundhaltung vieler Lehrer*innen an der ERNST. Eine Lehrerin weist darauf hin, dass sie im Grunde an jeder weiterführenden Schule arbeiten könnte, aber sich explizit für die ERNST entschieden hat. In Zeiten des Lehrkräftemangels ist es eine fortwährende Herausforderung für Schulen in Bremerhaven, gut ausgebildete Pädagog*innen zu gewinnen. In der Stadt haben etwa 70% der Neueinstellungen nicht die 2. Staatsprüfung, wie ein Lehrer und Funktionär der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft erläutert. Die neuen Kolleg*innen seien wegen ihres Engagements oft hoch geschätzt. Sie bräuchten aber noch dringender als voll ausgebildete Pädagog*innen gute Fortbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Eine Entwicklungsperspektive wird an der ERNST also in dreifacher Hinsicht eingenommen, sowohl bezogen auf die Schüler*innen, die Mitarbeiter*innen und die Schule als Ganzes. Die ERNST beschreitet dabei neue oder wenig genutzte Pfade, sie erhält dabei jedoch Unterstützung von außen. Als Mitglied im „Netzwerk Schule-Wirtschaft-Wissenschaft für die Region Unterweser“ kann sie auf außerschulische Verbündete bei der „Begleitung Jugendlicher und junger Erwachsener in das Arbeitsleben“ bauen. Kürzlich hat sie sich außerdem dem Schulverbund „Blick über den Zaun“ angeschlossen, in dem sich reformpädagogisch-orientierte Schulen in ihrer Schulentwicklung gegenseitig unterstützen und voneinander lernen. Die ERNST teilt hier mit vielen anderen die Überzeugung, dass gute Schule immer wieder neu von innen und mit Blick auf die eigenen Schüler*innen entwickelt werden muss.
Ein Beitrag von: Matthias Linnemann Matthias Linnemann Wissenschaftlicher Mitarbeiter Torben Dittmer Torben Dittmer Wissenschaftlicher Mitarbeiter
„Es musste etwas passieren!“
